Underground of Berlin – Deezer Interview mit Änis Ben-Hatira und Chinedu Ede

Posted by thetje | 14. December 2021 | Podcasts
Änis Ben-Hatira

Der Profifußball ist ein hartes Geschäft. Noch härter ist allerdings der Weg nach oben, an dem schon die meisten jungen Talente scheitern. Eine Gruppe von Freunden aus dem Berlin Wedding schaffte es trotzdem gegen alle Widerstände in die Bundesliga und sorgte schnell für Furore. Darunter Änis Ben-Hatira und Chinedu Ede. Ihren ungewöhnlichen Weg, die Höhen und Tiefen des Profisports sowie ihren Absturz zeichnet der neue Deezer Original Podcast Underground of Berlin nach. Mit dabei sind Freunde und Weggefährten wie Kevin-Prince Boateng, Matthias Sammer und Frederick Lau. Im Deezer Interview sprechen Änis und Chinedu mit uns über Fußball, Underground of Berlin und Musik.

Deezer: Was hat euch an der Doku-Serie am meisten Spaß gemacht?

Änis Ben-Hatira: Mir hat am meisten der Austausch mit den Jungs gefallen. Die Abende nach den ganzen Drehtagen und auch die ein oder andere Verwunderung bzw. ein Kulturschock, den ich aus den Augen des DAZN-Teams herauslesen konnte. Daran habe ich nur gute Erinnerungen.

Chinedu Ede: Die Serie ist knallhart ehrlich, weil viele der Protagonisten der Serie mittlerweile etwas Abstand vom Fußball haben. Es kann immer noch nicht jeder, der im Fußball oder im Sport tätig ist, so offen reden, weil er von seinem Image lebt. Die Serie wiederum lebt aber genau davon, dass auch Leute zu Wort gekommen sind, die nicht im Profifußball aktiv waren oder sind. Es war nicht nur darauf ausgelegt, prominente Leute sprechen zu lassen, um künstlichen Hype zu generieren. Es haben Leute gesprochen von früher, die uns kennen, die nichts zu verlieren haben, wenn sie die Wahrheit sagen.

Hat die Arbeit an Underground of Berlin euren Blick auf früher in bestimmten Bereichen verändert?

ÄBH: Nicht unbedingt, weil wir durch unsere Erfahrungen und Erlebnisse zu dem geworden sind, wer wir sind. Mich persönlich hat die Arbeit an der Serie aber wieder eintauchen lassen in eine sehr schöne Zeit, an die ich gerne zurückdenke.

CE: Es war für mich interessant zu sehen, wie andere gewisse Situationen wahrgenommen und empfunden haben. Meistens beurteilt man die Dinge, die einen selbst betreffen, automatisch etwas emotionaler und dramatisiert das ein oder andere über. Darüber hinaus war es spannend für mich zu sehen, welchen Eindruck ich auf andere Menschen hinsichtlich bestimmter privater Vorkommnisse gemacht habe, die ich so gar nicht nachempfinden konnte.

In der Serie heißt es, dass die Zeit bei den Füchsen für fast alle die schönste Zeit war. Was hat sie für euch zur schönsten Zeit gemacht?

ÄBH:  Das war definitiv ein großer Schritt für unsere Weiterentwicklung. Hauptsächlich verantwortlich dafür waren damals die Trainer, die uns mit einem Training fasziniert haben, wobei wir uns in großen Schritten weiterentwickelt haben. Darüber hinaus hat es auch einfach Spaß gemacht. Wir haben uns an der Ajax-Schule und einigen Stars orientiert. Das war letztlich auch das erste Mal, dass man strukturiert mit besonderen Übungen trainiert hat. Das war eigentlich der entscheidende Punkt in meinem Leben, an dem ich verstanden habe, wie es sein könnte, dass ich Profi werde.

CE: Es war vor allem das Gemeinschaftsdenken. Es gab noch nicht diese ganzen Egoismen. Es ging darum sich weiterzuentwickeln, Spaß zu haben, einfach nur Fußball zu spielen. Letztlich die Essenz des Ganzen. Wir hatten mit Dennis Hoy und Frank Friedrichs ein Trainerteam, das sehr besonders war. Es war einfach schön, diese Entwicklung bei uns allen zu spüren, bei allem selbst. In jungen Jahren besitzt man eine ganz andere Auffassungsgabe und bei den Füchsen haben wir die Grundlage für später gesetzt, sodass wir anderen Jugendlichen einen ganzen Schritt voraus waren.

Was hättet ihr aus eurer Jugend gerne in den Profifußball gerettet?

ÄBH:  Diese pure Hingabe, Leidenschaft und Liebe, die man als Kind und Jugendlicher noch zu dem Fußball hatte. Das hat sich dann natürlich verändert aufgrund des Business, der Menschen, die dort verkehren und der Lügen. Ich möchte allerdings auch nicht alles schlecht reden, aber die Unbekümmertheit, mit der man damals Fußball gespielt hat, die geht natürlich irgendwie verloren.

CE: Die Unbekümmertheit, die Leichtigkeit, dieses nicht bewertet zu werden andauernd. Dieses Verständnis dafür, dass es einfach nur eine schöne Sache sein soll. Dieses ganze Drumherum kommt erst später mit der Aufmerksamkeit. Mit dem Fokus auf einem selbst beginnt man dann auch Dinge viel zu ernst zu nehmen und sich darin zu verlieren.

Was ist das Schönste am Fußball?

ÄBH: Der Fußball hat seine schönen und seine hässlichen Seiten. Alleine, wenn ich an die vollen Stadien denke und die Stimmung, wie man die Zuschauer begeistert, wenn man es mit den Füßen draufhat. Dann ist das ein schönes Gefühl.

CE: Man kann vergessen. Wenn der Ball rollt, man in einen Zweikampf geht, dann muss man wissen „muss ich eine Finte machen oder den Ball wegziehen“. Letztlich hat man keine Zeit zum Nachdenken, sondern man muss immer reagieren. Egal was gerade bei einem im Leben oder im Fußball los ist, man kann sehr gut vergessen und sich dem Sport einfach nur hingeben.

Was war für euch am schwierigsten auf dem Weg in den Profifußball?

ÄBH: Für uns war es gar nicht so, dass wir darüber nachdenken konnten, was schwer oder nicht war, da wir generell gegen sehr schwierige Umstände kämpfen mussten. Wir haben es so genommen, wie es ist. Chinedu beschreibt es sehr gut, dass unser Glück es war, dass wir abliefern mussten.

CE: Die Konformität. Du kommst nicht weiter, wenn du nicht die Meinung des Herrschenden vertrittst. Dann ist es scheißegal, ob du gut oder noch so talentiert bist, dann musst du dich unterordnen. Deine eigene Meinung wird nicht geschätzt. Ich bin weit davon entfernt zu sagen, dass ich nur das mache, was ich für richtig halte, aber ich bin immer ein Freund einer offenen Diskussion. Am Ende zählt die Mannschaft, aber ich mag hierarchische Strukturen nicht. Vor allem nicht, wenn sie unbegründet sind. Wenn es nur aufgrund des Alters oder der Erfahrung, aber nie aufgrund des Könnens und der Qualität ist. Das herrscht im Fußball leider immer noch vor.

Habt ihr euch gerne mit Musik mental auf das nächste Spiel vorbereitet? Wenn ja, welchen Song hört ihr gerne direkt vor dem Spiel?

ÄBH: Ich höre mir schon überwiegend Musik vor dem Spiel an, aber mittlerweile ist es ja so, dass in jeder Kabine ein Ghettoblaster rumsteht und darüber Musik läuft von einem Spieler, der eine coole Playlist hat. Ich selbst habe natürlich auch gewisse Dinge, die ich mir anhöre. Mal ist es Musik und mal ist es auch der Koran.

CE: Ich habe eigentlich immer Musik, die nach vorne geht gehört. Deutsch-Rap unter anderem von Hanybal oder Haftbefehl. Songs, die auch ein wenig gepusht haben.

Was wäre euer zweiter Traumjob, wenn ihr nicht Fußballprofis geworden wärt?

ÄBH: Das ist eine Frage, die ich oft gestellt bekomme, aber gar keine richtige Antwort darauf habe. Es gab damals schlichtweg keine andere Option. Ich hatte nur das eine Ziel im Kopf.

CE: Ich wollte eigentlich immer im sozialen Bereich tätig sein. Fußball war für mich weit weg und ich habe nie daran gedacht Profi zu werden, weil es für mich so unwahrscheinlich war. Ich wollte gerne Grundschullehrer werden oder irgendetwas im pädagogischen Bereich mit Kindern. Ich bin aktuell noch etwas entfernt vom Fußball, kann mir aber durchaus vorstellen irgendwann als Jugendtrainer zu arbeiten.

Was möchtet ihr fußballbegeisterten Kids von heute mitgeben?

ÄBH: Es gab einen Spruch, der mich lange begleitet hat in meiner Kindheit, meiner Jugend. Versuche in allem, was du tust, der Beste zu sein. Damit ist alles gesagt, was du tun und opfern musst. Lebt für euren Traum, lasst euch nicht unterkriegen und lasst euch vor allem nicht sagen, dass ihr nicht gut seid. Außerdem behaltet euch eure Kreativität, auch, wenn andere sie euch nehmen wollen. Die bittere Realität ist aber auch, dass es nur ein sehr kleiner Anteil schafft, also bleibt realistisch und habt bestenfalls alles im Einklang.

CE: Verliert den Spaß nicht zu früh. Wenn du Spieler wie Ronaldinho und Neymar siehst, das ist es letztlich. Auf den Platz gehen und Spaß haben und nicht bereits in der Jugend voll auf Taktik zu gehen. Mal ein Übersteiger zu viel machen und ein Tor zu wenig schießen. Ich freue mich immer, die ganz kleinen Kicker zu sehen, bei denen alle in der Mannschaft auf den Ball rennen. Es soll um die Essenz gehen und nicht um das Ergebnis. Fußball zu lieben und nicht Fußball zur arbeiten. Lasst die Kinder Kinder sein.

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